Kriminalgeschichten

Fränkisch deftig

Wie gut der hölzerne Griff der Pfanne in der Hand gelegen hatte, dachte sie verwundert. Wie sanft das Holz geglättet von den hundert und aberhundert Berührungen. Darin hatte sein Leibgericht gebrutzelt. Gebratene Leberwürste, dazu wollte er Sauerkraut. Die Leberwürste klebten wie explodiert an der Küchendecke, lösten sich jetzt partiell, tropften auf den Küchenboden, auf seine Füße, die er nur selten wusch. Ekelerregend selten. Sie stand am Herd und würzte den gestampften Kartoffelbrei. Gab noch ein wenig Butter dazu, eine Prise Salz, rieb etwas von einer Muskatnuss darüber, rührte ein letztes Mal um, dann nahm sie den Topf von der Herdplatte. Sie stieg über seine Füße hinweg, portionierte Kartoffelbrei auf ihren Teller, dazu eine Blutwurst und den Rest vom Sauerkraut, der noch im Topf war. Setzte sich und aß. Dann griff sie zum Telefon. Der junge Mann am anderen Ende wollte ihr zunächst keinen Glauben schenken. Schließlich versprach er aber einen Einsatzwagen zu der von ihr angegebenen Adresse zu schicken.
„Zertrümmerte Schädeldecke, Tatwaffe die gusseiserne Bratpfanne, Verbrühungen im Gesicht, postmortal, eindeutig vom Sauerkraut.“, stellte der Pathologe fest. Sie saß ganz ruhig, strich nur ab und an mit der flachen Hand über ihre Kittelschürze. Und spürte einen tiefen inneren Frieden.

(Im Juni 2020 geschrieben)

Woher der Wind weht …

Der Tag begann wie jeder andere. Die Vögel zwitscherten Sommer. Der Himmel streckte und dehnte sich morgenblau bis zum Horizont und neigte sich dann sanft herab um zart die Erde zu küssen. Seine Lippen wurden feucht vom Tau.
Ende des romantischen Teils.
Im Garten tockte ein Specht Morsezeichen in den alten Birnbaum. Morsezeichen, die ich nicht verstand. Vielleicht war es eine Warnung. Aber wer weiß das zu sagen. Und hätte es etwas geändert? Hätte ich auf diese Warnung gehört, wenn ich sie denn verstanden hätte? Unwahrscheinlich.
So ging ich gänzlich unbedarft in meinen Tag und einer alten Gärtnerweisheit folgend, als Erstes in den Garten. Denn dieser will seinen Gärtner einmal am Tag sehen. Also ließ ich mich sehen. Wie jeden Tag. Ich roch an einer Rose, pflückte ein paar Pfefferminzblätter für die Wasserkaraffe, zupfte im Vorbeigehen Vogelmiere aus dem Salatbeet und wäre fast in die Harke getreten, die ich am Vortag liegen gelassen hatte.  „Wie unachtsam!“, schalte ich mich selbst, wich der Harke aus und stolperte rückwärts gegen die Regentonne. Mich festhalten wollend ließ ich die Pfefferminze fallen und platschte mit der rechten Hand ins Regenwasser. Die Vogelmiere, Botanikern als Stellaria media bekannt, hielt ich immer noch fest in der linken Hand. Unflätige Worte von mir gebend, sie seien mir wegen der frühen Stunde verziehen und ich werde sie hier auch nicht wiederholen, brachte ich mich wieder ins Gleichgewicht. Ich bückte mich nach der Abdeckung der Regentonne, die leichtsinnigerweise neben der Tonne lag. Einer enorm dickbauchigen Tonne. Ich richtete mich auf, das gesammelte Regenwasser abdecken wollend und erstarrte – den Deckel in der Schwebe haltend.  Denn aus dem gesammelten Regenwasser in der Tonne ragte mir eine Hand entgegen. Bleich, seltsam schlaff, abgewinkelt. Ich blickte auf diese Hand. Es dauerte einen Moment bis ich begriff was ich da sah. Ich erkannte diese Hand und machte – nichts. Starrte nur weiter auf die Hand, den beringten Ringfinger, dann auf das Handgelenk, folgte dem dazugehörigen Arm unter die Wasseroberfläche, erkannte Haare, einige wenige, einen Rumpf und weitere Körperteile, seltsam verbogen. „Hilfe!“ hörte ich mich hauchen. Und noch einmal „Hilfe!“. Aber das war noch nicht einmal mehr gehaucht. Dann legte ich den Deckel auf die Tonne.  Nahezu geräuschlos. Ging ins Haus. Füllte den Teekessel mit Wasser. Brachte selbiges zum Kochen. Griff nach der Teedose, einer blechernen, abgegriffenen. Löffelte die  gewelkten, gerollten, fermentierten, sortierten Assamblätter in ein Teesieb.  Brühte mit kochendem Wasser auf und atmete das aufsteigende Aroma ein. Stark und schwarz. Ich trank ihn sehr süß. Eigentlich trank ich ihn immer sehr süß, aber heute rechtfertigte ich den vielen Zucker mit dem Schock, unter dem ich stand. Aber stand ich unter einem Schock? Ein Kribbeln, ja ein Kribbeln durchlief meinen Körper. Aber war es nicht eher freudig? Ich merkte wie sich ein Lächeln über mein Gesicht breitete. Selig möchte ich es fast nennen.

Fortsetzung folgt (vielleicht!)